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Die Wahrheit über Bio

Anne Preble on Unsplash

Bio-Lebensmittel sind auch so ein Thema, das die Leute spaltet: Für die einen ist Bio heilig und für die anderen ist es einfach nur überteuert.

Was ist da dran? Ist der Preis gerechtfertigt? Lohnt es sich, Bio zu kaufen? Darum geht es in diesem Artikel.

Was ist Bio überhaupt?

das EU-Bio-Logo (links) und das deutsche Bio-Siegel (rechts)

Bio-Lebensmittel werden in der EU einheitlich durch das EU-Bio-Logo gekennzeichnet, jedes echte Bio-Produkt muss dieses Logo tragen. Zusätzlich kann auch das deutsche staatliche Bio-Siegel mit aufgedruckt werden. Die entsprechende EU-Richtlinie definiert die Mindestanforderungen, die Bio-Produkte einhalten müssen, z. B.

  • keine Gentechnik,
  • kein chemischer Pflanzenschutz,
  • Pflege der Bodenfruchtbarkeit durch ausgeprägte Humuswirtschaft,
  • abwechslungsreiche, weite Fruchtfolgen,
  • begrenzter, streng an die Fläche gebundener Viehbesatz [1].

Außerdem gibt es in Deutschland noch weitere, nicht-staatliche Siegel verschiedener Anbauverbände, die wichtigsten sind die von Naturland, Bioland und Demeter. Natürlich halten auch diese Verbände die EU-Anforderungen ein und gehen sogar oft noch weit darüber hinaus [2]. Bei allen Siegeln wird streng kontrolliert und die Kontrollbetriebe staatlich überwacht.

die Siegel einiger privater Anbauverbände

Was ist Bio nicht?

Um zunächst noch mit einigen Missverständnissen bezüglich Bio aufzuräumen, hier ein paar Dinge, die Bio nicht (oder jedenfalls nicht automatisch) ist.

Bio-Lebensmittel sind nicht zwingend gesünder ‒ der Bio-Apfel muss z. B. nicht mehr Vitamine haben als der konventionelle. Bei Bio geht es erst einmal weniger nur um die Qualität der Lebensmittel als um die Art und Weise, wie diese hergestellt werden und welche Schäden dabei der Umwelt und den Tieren angetan werden. Dass Bio-Lebensmittel dann doch oft gesünder sind, ist sozusagen ein positiver Nebeneffekt ‒ wer die Natur gut behandelt bekommt eben auch gutes zurück. Außerdem liegt der Entscheidung eines Landwirts für Bio ein bestimmtes Mindset zugrunde ‒ er hinterfragt mehr und achtet mehr auf die Auswirkungen seiner Produktion ‒ und dieses Mindset beinhaltet i. d. R. auch höhere Qualitätsansprüche an die eigenen Produkte.

Was ich damit sagen will: Bio-Produkte sind nicht deswegen teurer, weil sie besser sein wollen als andere, sondern weil ein achtsamer Umgang mit Natur und Tieren die Erträge natürlich begrenzt.

Bio-Lebensmittel sind nicht perfekt. Viele Nicht-Bio-Freunde (ich nenne sie absichtlich nicht Bio-Gegner, weil ich glaube, dass die meisten nicht gegen Bio sind, sondern v. a. durch den höheren Preis abgeschreckt werden) äußern sich z. B. abwertend darüber, dass Bio-Produkte häufiger in Plastik verpackt sind als konventionelle Produkte ‒ und leider zurecht. Zwar gibt es dafür einen Grund ‒ da Bio-Lebensmittel nicht mit unsichtbaren chemischen Mitteln behandelt sind und außerdem aufgrund des geringeren Angebots womöglich weiter transportiert werden müssen, werden sie schneller schlecht und werden deshalb mit Plastik länger frisch gehalten ‒ dem Verbraucher erscheint das dennoch inkonsequent und weckt letztlich den Eindruck, dass Bio eigentlich gar nicht besser ist. Bio-Produkte sind zwar nicht perfekt, doch sie sind deutlich tierfreundlicher, umwelt- und ressourcenschonender als konventionelle. Das sieht man diesen Produkten nur leider nicht an.

Ein weiteres Problem, vor dem sicher alle schon einmal standen, die versuchen, möglichst bewusst einzukaufen, ist die Frage: Was ist besser, das konventionelle regionale Produkt (z. B. die konventionelle Zwiebel aus Deutschland) oder das ausländische Bio-Produkt (die Bio-Zwiebel aus Ägypten)? Hier könnte man anfangen, abzuwägen: Durch die konventionelle Zwiebel gelangen mehr Gifte und Nitrate in die Umwelt, für den Transport der Bio-Zwiebel fallen CO2-Emissionen an. Nur wie will man das vergleichen? Da hilft nur: Genau hinsehen und ansonsten einfach auf das eigene Bauchgefühl hören. Dabei sollte man sich bewusst sein, dass Bio eben wie gesagt auch nicht perfekt ist. Das betrifft v. a. jene Produkte, die „nur“ die EU-Mindestanforderungen erfüllen. Die anderen Siegel, die ich oben vorgestellt habe, haben dagegen höhere Anforderungen auch an Regionalität und Saisonalität. Übrigens auch, was die für den Verbraucher nicht sichtbaren Warenströme betrifft wie das Futter für die Tiere (bei Demeter z. B. muss mindestens 50 % des Futters vom eigenen Betrieb kommen [3]).

Warum ist Bio so teuer?

Kommen wir jetzt zum heiklen Thema des Preises. Wir haben gesehen, dass Bio-Lebensmittel nicht perfekt sind, durch die EU-Vorgaben und die zusätzlichen Anforderungen der anderen Siegel aber dennoch einen garantierten Mehrwert für die Natur und die Tiere haben. Dank der einheitlichen Regelung in der ganzen EU kann man sich ziemlich sicher sein, dass man beim Kauf von Bio-Produkten eine für Mensch, Tier und Umwelt nachhaltige Landwirtschaft unterstützt. Die Frage ist nur: Ist der höhere Preis gerechtfertigt? Und kann man von jedem verlangen, ihn zu bezahlen?

Eine Wahrheit über den Preis von Bio-Produkten ist, dass die Margen der Handelsketten hier spürbar höher sind. Das heißt, die Märkte geben den höheren Herstellungspreis nicht einfach an den Kunden weiter, sie schlagen noch etwas drauf. Sie nutzen eben aus, dass einige Verbraucher bereit sind, für Bio-Produkte mehr Geld auszugeben. Bei kleineren Bio-Läden sind die Margen dagegen i. d. R. geringer und die Produkte damit etwas günstiger [4].

Bei allem, was darüber hinaus geht, wäre es eigentlich ehrlicher, nicht zu fragen, warum Bio so teuer ist, sondern:

Warum sind konventionelle Produkte so billig?

Das Problem bei konventionelle Produkten ist: Sie sind zwar für den Endverbraucher günstiger, dafür werden an anderer Stelle Werte zerstört, z. B. wenn durch Ackergifte Bienenvölker sterben oder durch Überdüngung das Grundwasser belastet wird oder für das Soja-Futter unserer heimischen Fleischindustrie Regenwald im Amazonas-Gebiet abgeholzt wird. Die Kosten dafür tragen wir am Ende dann doch, etwa über höhere Abgaben für die Wasseraufbereitung. Oder die Imker und die Landwirte selbst, wenn die Bestäubung durch die Bienen ausfällt. Oder womöglich erst zukünftige Generationen durch den Klimawandel. Die Zerstörung der Umwelt durch die konventionelle Landwirtschaft wird zunächst nicht mit eingepreist, letztendlich entstehen dadurch aber doch ganz reale Kosten. Würde man diese gleich in den Preis der Produkte mit aufnehmen, wären sie womöglich teurer als Bio-Produkte. Denn Bio-Landwirte arbeiten so, dass das Funktionieren der Natur langfristig gesichert ist. Im besten Fall schaffen sie dadurch sogar Werte für die Zukunft.

Die Landwirtschaft ist vielleicht der wichtigste Bereich unserer Wirtschaft, denn Lebensmittel brauchen wir zu jeder Zeit ‒ alle Menschen. Aber letztendlich ist es die Landwirtschaft, auf die global gesehen die meiste Umweltzerstörung zurück zu führen ist. Und durch die stetig wachsende Weltbevölkerung werden diese Probleme eher noch größer. Aber ohne die Landwirtschaft geht es eben auch nicht. Deswegen macht es durchaus Sinn, hier einzugreifen und für Veränderung zu sorgen. Auch wenn Bio-Produkte nicht perfekt sind ‒ sie sind eine effektive Möglichkeit, etwas für die langfristige Sicherung der Lebensmittelversorgung zu tun. Der kanadische Wissenschaftsjournalist Bob McDonald stellt dazu diese Frage:

Menschen leben auf der Erde seit etwa 6 Millionen Jahren. Können wir das, was wir jetzt tun, für weitere 6 Millionen Jahre tun?

Bob McDonald [5]

Trotz der Kosten, die da wohl auf uns zu kommen: Für viele Menschen ist der Preis von Bio-Produkten erst einmal ganz unmittelbar hier und jetzt zu hoch. Zwar geben wir in Deutschland im Schnitt nur 12,9 % unseres Einkommens für Lebensmittel und Getränke aus (inkl. Alkohol und Tabakwaren) [6], doch je geringer das Einkommen, desto höher wird dieser Anteil. Und deswegen wird Bio wohl bis auf weiteres nicht die breite Masse erreichen ‒ jedenfalls nicht, solange Umweltschäden nicht mit eingepreist werden, wodurch Bio im Vergleich günstiger werden würde.

Was heißt das jetzt für mich?

Der Rat, den ich an dieser Stelle geben möchte ist: Versucht, je nachdem wie es das Einkommen zulässt, Bio-Produkte zu kaufen. Bei aller berechtigten Kritik sind sie dennoch in den allermeisten Fällen besser als konventionelle Produkte. Nur lasst dabei das Hinterfragen nicht weg, auch bei Bio-Produkten. Tipps für einen bewussten Konsum, auch über Bio hinaus, findet ihr bald in der Rubrik Aktiv werden.

Quellen

[1] Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung: „Das staatliche Bio-Siegel.“ https://www.oekolandbau.de/bio-siegel/info-fuer-verbraucher/das-staatliche-bio-siegel/

[2] Utopia: „Bio-Siegel: Was haben die Tiere davon?“ https://utopia.de/ratgeber/bio-siegel-haben-die-tiere-davon/

[3] Demeter: „Unterschied von Bio zu Demeter.“ https://www.demeter.de/unterschied-bio-demeter

[4] rbb: „Bio-Lebensmittel: Könnten preiswerter sein.“ https://www.rbb-online.de/supermarkt/sendungen/20190506_2015/lebensmittel-bio-konventionell-preisvergleich-gewinnmarge-aufschlag.html

[5] TedX Talks, Bob McDonald: „What if Everything You Know is Wrong.“ https://www.youtube.com/watch?v=B7UVfqtfQBc

[6] Eurostat: „Household Budget Survey 2005 in the EU27.“ https://ec.europa.eu/eurostat/documents/2995521/5106758/3-19062008-AP-EN.PDF/bc70b9c8-b24e-4ca7-86fa-24e261888fb7?version=1.0

2 Antworten auf „Die Wahrheit über Bio“

Danke für die schöne Übersicht an Informationen.
Eine Thematik die allerdings meiner Meinung nach fehlt ist der Vergleich von Bio und Konventionell vor dem Hintergrund der weltweiten Nahrungsmittelverfügbarkeit bzw. der Flächennutzung (Fläche die für Landwirtschaft genutzt wird kann nicht für bspw. Naturschutzgebiete genutzt werden die dem Erhalt von gefährdeten Arten sowie als Kohlenstoffsenke dienen).
Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund der steigenden Weltbevölkerung relevant. Aber auch ein verstärkter Konsum von Fleisch und Tierprodukten wird wohl leider zu einer verstärkten Problematik führen. Im Gegensatz zu dem Eindruck den man vielleicht in Deutschland bekommen kann gibt es weltweit einen Trend hin zum Verzehr von mehr Fleisch und tierischen Produkten. Dies wirkt sich negativ auf die Nahrungsmittelverfügbarkeit (ca. das 7 fache an Energie (Kalorien) in Form von bspw. Getreide wird benötigt um Rindfleisch zu erzeugen; Quelle: https://www.weltagrarbericht.de/themen-des-weltagrarberichts/fleisch-und-futtermittel.html) aber auch auf den Flächenverbrauch und die Treibhausgasbilanz aus.
Laut der Website Ökolandbau.de von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) sind die Erträge pro Fläche bei Getreide im Schnitt bei der Hälfte, bei Freilandgemüseanbau bei 77% und unter Glas bei 64% (natürlich gibt es aber große Unterschiede je nach Frucht; Quelle: https://www.oekolandbau.de/handel/marktinformationen/der-biomarkt/marktberichte/ertraege-im-biologischen-und-konventionellen-landbau/) Über die genauen Zahlen kann man sicherlich streiten aber Fakt ist, dass der Ertrag pro Fläche geringer ist. Somit stellt sich die – wie ich finde – schwierige Frage was stärker wiegt – der Schutz der Natur auf landwirtschaftlich genutzten Flächen durch den Verzicht auf Mineraldünger und Pflanzenschutzmitteln oder mehr Flächen spezifisch für den Naturschutz zur Verfügung stellen? (Wobei letzteres ist leider nichts ist was man als Privatperson in größerem Ausmaß beeinflussen kann). Ein verantwortungsvoller Umgang mit Dünger und Pflanzenschutzmitteln muss aber natürlich auch in dem zweiten Fall auf jeden Fall gegeben sein.
Ich wäre total an einer umfassenden Ökobilanz / Lebenszylkusanalyse zum Vergleich von Lebensmitteln aus Bio und konventionellem Anbau interessiert. Leider habe ich dazu bisher nicht viel gefunden (abgesehen von der gelagerte Äpfel vs. Übersee Thematik). Also falls jemand dazu Informationen hat immer her damit 😉
Gibt es noch andere Aspekte dazu die ich vergessen habe?

Danke für diese wichtige Ergänzung! Es stimmt, dass durch den Verzicht auf synthetische Pflanzenschutzmittel und Düngemittel die Produktivität natürlich abnimmt, was durch die positiven Effekte des Bio-Landbaus (Verbesserung der Bodengesundheit, …) nicht ausgeglichen werden kann. Ich habe für den Vergleich von Bio und Konventionell auch noch keine Lebenszyklusanalyse gefunden, ich habe nur noch ein paar Gedanken dazu. Wie sieht die Bilanz z. B. aus, wenn man den Flächen- und Energieverbrauch bei der Herstellung der genannten Stoffe mit einrechnet? Außerdem muss man denke ich unterscheiden zwischen Industrieländern und Entwicklungsländern.
In Entwicklungsländern ergibt sich oft ein ganz anderes Bild, weil dort die Anbaubedingungen wesentlich anspruchsvoller sind, z. B. durch Dürren, Überschwemmungen etc. Hier kann die Produktivität durch die Umstellung auf Bio meist gesteigert werden, da hier die Verbesserung der Bodengesundheit stärker ins Gewicht fällt als in Europa mit seiner ohnehin relativ guten Bodenbeschaffenheit (vgl. https://www.bpb.de/apuz/32212/mit-oekologischer-landwirtschaft-gegen-den-hunger). Trotz allem bleibt das Dilemma, was du ansprichst: Die nutzbare Fläche auf der Erde ist begrenzt und wir müssen uns gut überlegen, wie wir sie mit einer wachsenden Weltbevölkerung nachhaltig nutzen. Neben der Produktivitätssteigerung in der Landwirtschaft gibt es da auch andere Ansätze, z. B. Verringerung des Lebensmittelverbrauchs (Stichwort Lebensmittelverschwendung und steigender Fleischkonsum, den du auch ansprichst), Begrenzung der Bodenversiegelung durch Straßen und Gebäude (mehr in die Höhe bauen als in die Fläche, intelligente Siedlungs- und Verkehrsplanung), … Ob es dann möglich wäre, ohne synthetische Hilfsmittel die ganze Weltbevölkerung zu ernähren?

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