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Vision

Die europäische Flüchtlingspolitik der Zukunft

Aktion Deutschland hilft

Eine gute Flüchtlingspolitik sollte mehrere Kriterien erfüllen: Sie muss zuallererst human sein, also die Menschenwürde der Flüchtlinge wahren. Außerdem sollte sie dem aufnehmendem Land wirtschaftliche Vorteile bieten, sodass sich eine win-win-Situation ergibt. Und nicht zu vergessen ist der Entwicklungshilfe-Aspekt, der gerne mit „Fluchtursachen bekämpfen“ beschrieben wird. Leider erfüllt die Flüchtlingspolitik der EU keines dieser Kriterien wirklich, sondern macht vielmehr schon seit längerem eher negative Schlagzeilen. Zeit, mal eine Vision einer zukünftigen europäischen Flüchtlingspolitik zu entwerfen, die unseren hohen Werten gerecht wird.

Ein kleine Einschränkung vorweg: Wie immer bei einer Vision lässt sich über die praktische Anwendbarkeit streiten. Sie dient mehr dem Zweck, ein Ziel, eine Idee vor Augen zu haben, wie es sein könnte. An einigen Stellen vereinfache ich sicher oder übersehe Hindernisse. Aber auch wenn die Flüchtlingspolitik, die ich hier beschreibe, ganz bestimmt noch nicht ganz ausgereift ist, inspiriert diese Vision vielleicht zum Weiterdenken. Schreibt mir eure Ideen gerne in die Kommentare!

Ein Landstreifen entlang der Grenze wird zum EU-Territorium

Verfolgen wir eine Familie auf ihrer Flucht aus einem afrikanischen Bürgerkriegsland. Überall verteilt an strategischen Punkten entlang der Hauptflüchtlingsrouten gibt es europäische Flüchtlingslager, die die EU in Zusammenarbeit mit den UN und den Ländern, in denen sie sich befinden, betreiben. Denn natürlich kann ein solches Lager aus Sicherheitsgründen nicht in dem Bürgerkriegsland selbst betrieben werden. Dennoch sind diese Lager so positioniert, dass sie die Menschen möglichst früh auf ihrer Flucht Richtung Europa abfangen und ihnen so unnötige Strapazen ersparen sowie Schleppern das Handwerkszeug legen. Sobald die Menschen erst einmal mitbekommen haben, dass sie über die europäischen Erstlager viel sicherer und schneller an ihr Ziel kommen, werden sie sich nicht mehr ohne Not einer kriminellen Schlepperbande ausliefern. Das sorgt gleichzeitig dafür, dass chaotische Szenen an den europäischen Außengrenzen der Vergangenheit angehören, weil die meisten kontrolliert in die EU kommen. Um aber auch für den Fall gerüstet zu sein, dass Flüchtlinge direkt an den europäischen Außengrenzen ankommen, wird ein Landstreifen entlang dieser Grenze, und genauso auch ein Meeresstreifen entlang der Küste, als EU-Territorium definiert. Ein Flüchtling der hier ankommt betritt bzw. befährt also als erstes europäisches Gelände oder Gewässer und fällt damit in die Zuständigkeit der entsprechenden europäischen Behörden und nicht der Behörden des ersten Landes hinter der Grenze. Ähnlich wie die Lager in den Fluchtländern, gibt es auch in diesem europäischen Grenzgebiet Erstlager, wo die Flüchtlinge aufgenommen werden. Im Mittelmeer gibt es extra Aufnahmeschiffe, die wie schwimmende Flüchtlingslager funktionieren und erster Anlaufpunkt für Seenotretter sind.

Wenn sie sich freiwillig dazu entscheiden, in ihre Heimat zurückzukehren, erhalten sie Entwicklungshilfe

Egal ob an der europäischen Grenze oder noch in Afrika, in den Erstlagern stellen die Flüchtlinge ihre Asylanträge. Zuerst wird ihnen erklärt, nach welchen Kriterien die Asylentscheidung gefällt wird, sodass sie ihre Chance, in Europa aufgenommen zu werden, selbst einschätzen können. Dann wird ihnen ein Vorschlag gemacht: Wenn sie sich freiwillig dazu entscheiden, in ihre Heimat zurückzukehren, erhalten sie Entwicklungshilfe, um sich eine nachhaltige Existenz aufzubauen.Wenn Sie aber selbst der Meinung sind, dass Asyl in ihrem Fall berechtigt ist, müssen sie während der Bearbeitung ihres Antrags im Erstlager bleiben, wo sie verschiedene Pflichten haben. Diese Pflichten dienen dazu, das Flüchtlingslager sauber und funktionsfähig zu halten sowie den dort lebenden eine sinnvolle Beschäftigung zu geben. Die ganze Flüchtlingspolitik ist darauf ausgelegt, von Anfang an die Flüchtlinge selbst mit einzubinden, von der Aufrechterhaltung der Ordnung in den Erstlagern bis zur Integration im Aufnahmeland. Aber dazu später mehr.

Im Laufe der Bearbeitung des Asylantrags werden die Antragssteller über ihren Status auf dem Laufenden gehalten. Damit verbunden wird ihnen noch mehrmals die Chance gegeben, sich freiwillig für eine Rückkehr zu entscheiden, besonders, wenn sich bereits eine relativ geringe Wahrscheinlichkeit für eine Gewährung von Asyl herauskristallisiert. Da die Flüchtlinge auf den Asylantrag selbst keinen Einfluss haben, ist es wichtig, transparent zu arbeiten und ihnen Wahlmöglichkeiten zu geben. Das erhöht die Akzeptanz und gibt den Menschen trotz ihrer schwierigen Situation eine gewisse Selbstbestimmung.

Da durch diese Methode nicht alle Asylanträge bis zum Ende bearbeitet werden müssen, wird der damit verbundene Aufwand minimiert. Gleichzeitig ist gewährleistet, dass die Entwicklungshilfe für die Rückkehrer auch tatsächlich bei Leuten ankommt, die sie gebrauchen können – sonst hätten sie sich ja nicht erst auf die Flucht begeben. Dieses Angebot ergänzt natürlich nur die unabhängig davon schon laufende Entwicklungshilfe.

Finanzielle Hilfen für die Aufnahmeländer gehen über die Flüchtlingsarbeit hinaus

Angenommen der Asylantrag unserer Familie ist positiv beschieden worden, wird sie als nächstes sicher nach Europa gebracht. Die Verteilung der Flüchtlinge auf die verschiedenen Länder geschieht nach einem bestimmten Schlüssel, um bestmögliche Integration zu gewährleisten. Jedes Aufnahmeland erhält dafür finanzielle Hilfen von der EU, die jedoch so bemessen sind, dass sie nicht nur der Flüchtlingsarbeit zugutekommen, sondern darüber hinaus auch die weitere gesellschaftliche Entwicklung fördern, z. B. in den Bereichen Bildung, Kultur und Wohnen. Das Ziel ist es, dass die Aufnahmeländer tatsächlich von der Einwanderung profitieren. Dadurch dass den Ländern, die eine Aufnahme von Flüchtlingen verweigern, diese Hilfen entgehen, beteiligen sie sich so indirekt finanziell an der Flüchtlingspolitik. Persönlich bin ich der Überzeugung, dass eine Volkswirtschaft bei guter Integration wirklich von der Immigration profitieren kann. Die Länder, die keine Flüchtlinge aufnehmen wollen, können aber auch keine solche positiven Erfahrungen machen. Das einzige, was hier hilft, ist es ihnen vor zu machen.

Eine Arbeitserlaubnis haben die Flüchtlinge vom ersten Tag an

Wenn die Familie dann schließlich z. B. in Deutschland angekommen ist, kommt sie für die erste Zeit in eine Sammelunterkunft, um sich an ihre neue Heimat zu gewöhnen. Das angegliederte Integrationsbüro wird sie noch länger begleiten, bei alltäglichem wie dem Einkaufen, beim Herstellen von Kontakten zu Einheimischen, Jobvermittlungen usw. Eine Arbeitserlaubnis haben die Flüchtlinge vom ersten Tag an. Wie schon im Erstlager haben sie auch hier für die Hilfe, die sie erhalten, bestimmte Pflichten, u. a. die Unterkunft am laufen zu halten, aber natürlich auch, Sprachkurse und Fortbildungen zu besuchen und für die Kinder, in die Schule zu gehen. Mit fortschreitender Entwicklung und je nach Vorbildung, übernehmen die Flüchtlinge zunächst einfache Arbeiten in der Unterkunft selbst und in ihrer Gemeinde, später auch zunehmend anspruchsvolle Tätigkeiten bei regionalen Arbeitgebern, die mit dem Integrationsbüro kooperieren, und schließlich auch bei anderen Unternehmen, wo sie sich eigenständig bewerben. Den Flüchtlingen von Beginn an eine sinnvolle Tätigkeit zu geben ist ein zentraler Baustein gelungener Integration. Sobald es die Sprach- und Kulturkenntnisse zulassen, wird die Familie in eine eigene Wohnung vermittelt.

In Gremien verwalten sich die Flüchtlinge selbst und lösen Probleme

Dass bei all dem nicht immer alles glatt läuft, ist vorherzusehen. Um dem entgegen zu wirken, gibt es in den Unterkünften verschieden Gremien, in denen sich die Flüchtlinge zu einem großen Teil selbst verwalten und an der Lösung von Integrations- und anderen Problemen arbeiten. Auch nach dem Auszug aus der Unterkunft bleiben die Menschen in einigen Gremien aktiv, um immer eine bekannte Anlaufstelle bei Herausforderungen zu haben, aber auch um die neueren von ihren Erfahrungen profitieren zu lassen. Es ist sogar denkbar, dass ein solches Gremium sich auch an der Lokalpolitik beteiligt und die Kontaktstelle für Einheimische darstellt (natürlich alles mit der Unterstützung des Integrationsbüros).


Das bisher geschriebene einmal außer Betracht genommen, wäre das Ideal natürlich eine Welt in Frieden, in der niemand hungern oder um Leib und Seele fürchten muss und somit auch keinen Grund hat, seine Heimat zu verlassen. Abgesehen davon, dass eine solche Welt jedenfalls mittelfristig nicht erreichbar sein wird (v. a. im Anbetracht des Klimawandels, der uns auch bei entschlossenen Gegenmaßnahmen noch eine Weile begleiten wird), wird es immer Menschen geben, die mit ihrer Situation unzufrieden sind und in ein anderes Land auswandern. Deshalb müssen wir stets beides machen bzw. miteinander verknüpfen: Fluchtursachen bekämpfen und für eine humane Migration sorgen.

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