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SARS-CoV-2 und wir

Mélissa Jeanty on Unsplash

Eine Krise wie die Corona-Pandemie bringt einige unserer sonst eher versteckten Eigenschaften als Gesellschaft zu Tage, sowohl gute als auch schlechte. Das gibt uns also eine seltene Gelegenheit, etwas über unser Verhalten in Krisensituationen zu lernen und hilft uns vielleicht auch für die Bewältigung anderer globaler Herausforderungen wie der weltweiten Armut oder dem Klimawandel.

Aber das wichtigste zuerst

Bitte haltet euch an die Vorgaben der Bundesregierung und vermeidet wo immer möglich Kontakt mit anderen Menschen. Es geht darum, die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen, denn übertragbar ist die Krankheit schon im Mittel 5 bis 6 Tage lang, bevor man erste Symptome überhaupt spürt [1]. Es kennt bestimmt jeder von euch mindestens eine Person, die aufgrund des Alters oder Vorerkrankungen besonders gefährdet ist und wünscht sich, dass sie optimal versorgt werden kann.

Was wir aus der Corona-Krise über uns selbst lernen können

Zuallererst ist da die Solidarität, die so viele Menschen jetzt zeigen, wenn sie für ihre älteren Nachbarn den Einkauf erledigen, wenn sie zu Hause bleiben und auf soziale Kontakte verzichten, obwohl sie sich selbst ganz gesund fühlen oder wenn sie einfach in den sozialen Medien alle an die richtigen Verhaltensregeln erinnern und den Bediensteten im Gesundheitswesen ihre Anerkennung zeigen. Aber auch diejenigen, die beim Einkaufen aktiv nicht hamstern und so dafür sorgen, dass auch alle anderen noch ihren täglichen Bedarf decken können und in den Krankenhäusern und Arztpraxen nicht die Atemschutzmasken ausgehen, zeigen damit Solidarität.

Und das bringt uns auch gleich zu einer der negativen Eigenschaften unserer Gesellschaft in Krisenzeiten. Offensichtlich neigen viele dazu, panisch zu werden und völlig unangemessene Maßnahmen zu ergreifen. Angestachelt womöglich auch von fake news und überdramatisierten Bildern aus den Medien.

Was können wir daraus lernen? Die erste Erkenntnis gibt auf jeden Fall Hoffnung: Ja, wir sind in der Lage, in Krisensituationen gemeinsam solidarisch zu handeln und nicht nur an uns selbst zu denken. Warum das jetzt bei der Corona-Pandemie so gut funktioniert, ist leicht gesagt: Wir sind als Gesellschaft unmittelbar betroffen; die Gefahr erfordert unverzügliches Handeln; es gab schon ähnliche Fälle in der Vergangenheit; und nach dem Ende der Pandemie wird das Leben wieder zurück in den Normalzustand gehen.

Bei vielen anderen globalen Krisen ist das alles anders, wie folgende Beispiele zeigen sollen.

Bei dem Abbau seltener Erden für unsere Elektronik sind es nicht wir selbst, sondern die Armen u. a. in Afrika, die unter gefährlichsten Bedingungen und unter nachhaltiger Schädigung ihrer Gesundheit schuften müssen und ausgebeutet werden.

Auch der Klimawandel betrifft im Moment v. a. Menschen in weit entfernten, klimatisch anspruchsvollen Gegenden und ohnehin armen Verhältnissen, die durch Dürren, Stürme oder den steigenden Meeresspiegel bedroht werden. Außerdem ist der Klimawandel ein schleichender Prozess und erscheint uns daher nicht so dringend. Auch Erfahrungen aus der Vergangenheit fehlen hier komplett.

Und schließlich ‒ und das ist vielleicht das schwierigste ‒ reicht es zur Bewältigung dieser Probleme nicht, eine Zeit lang das Leben umzustellen und dann wieder zur Normalität zurück zu kehren. Um allen Menschen ein würdiges Leben zu ermöglichen und die Ökokatastrophe abzuwenden, müssten wir unsere Gesellschaft vollständig umkrempeln.

Und dennoch, die Corona-Pandemie hat bewiesen, dass wir zu schnellem, entschlossenen Handeln fähig sind ‒ trotz unserer oft als zu träge abgetanen Demokratie. Und es spricht aus meiner Sicht prinzipiell erst einmal nichts dagegen, dass wir das in Zukunft auch auf Krisen anwenden können, die weniger akut sind.

Aus der zweiten Erkenntnis, dass viele Menschen zu panischen, unüberlegten Reaktionen neigen, können wir lernen, Panikmache zu vermeiden und stattdessen Aufklärung zu betreiben. In dieser Hinsicht ist es vielleicht sogar ein Vorteil, dass die anderen beschriebenen globalen Krisen nicht so akut sind: Es hilft uns, besonnen vorzugehen. Auf der anderen Seite gibt es natürlich heute schon viele Menschen und Tiere, die unter diesen Krisen leiden und das muss man irgendwie an den Mann (und die Frau) bringen ‒ eine schwierige Gratwanderung.

Was können wir sonst noch aus der Corona-Krise über uns lernen? Wir können ungeheur kreativ sein! Da verabreden sich Freunde bei Skype, um gemeinsam ‒ und doch jeder allein in der eigenen Wohnung ‒ zu trainieren. Geschäftsreisen mit dem Flieger werden plötzlich verzichtbar und z. T. durch Videokonferenzen ersetzt. Im Fernsehen laufen Bildungsprogramme für die Kinder, die nicht zur Schule gehen können. Die Lehrer verschicken Lernmaterialien per Post oder gleich online. Eine Band in Wiesbaden gibt für die Nahbarn Konzerte vom Balkon aus.

Gelingt es uns, diese Kreativität über die Krise hinaus beizubehalten? Vielleicht sollten wir uns öfter die Frage stellen: „Was wäre wenn …?“


Fällt euch noch etwas ein, was wir aus der Corona-Krise über uns selbst lernen können? Hinterlasst gerne einen Kommentar dazu!


PS: Übrigens, wer sich wie ich schon länger über die vielen verschiedenen Bezeichnungen für das Coronavirus gewundert hat: Der offizielle Name des aktuellen Virus ist SARS-CoV-2 und die Krankheit, die es verursacht, heißt COVID-19. Mit dem Begriff Corona bzw. Coronavirus wird allgemein diese Art von Viren bezeichnet [2].

Quellen

[1] Robert-Koch-Institut: „SARS-CoV-2 Steckbrief zur Coronavirus-Krankheit 2019 (COVID-19).“ https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html

[2] Wikipedia: „SARS-CoV-2.“ https://de.wikipedia.org/wiki/SARS-CoV-2

2 Antworten auf „SARS-CoV-2 und wir“

Eine Erkenntnis aus Corona ist offensichtlich und macht das erfolgreiche Lernen aus der Krise zugleich schwerer: isoliertes Handeln funktioniert nicht. Die Welt ist nicht nur virtuell, sondern auch physisch unwiederbringlich vernetzt, global miteinander verbunden, über Flugzeuge, Schiffe, Bahnen, Autos. Sicher, mit etwas Zeit und radikalen Entscheidungen können Verkehrsströme zumindest deutlich eingeschränkt werden, das Erleben wir ja momentan, mit unterschiedlichen Tempi in unterschiedlichen Ländern. Stellen wir uns die theoretische Frage: „Wenn wir auf Knopfdruck alle Ländergrenzen zeitgleich dicht machen könnten“ (durch abgestimmtes, gut organisiertes Verhalten aller politischen Entscheidungsträger), würde uns das helfen? Ja – meint ihr? Wir müssten wohl bilanzieren. Positiv: Viren würden draußen bleiben, diese Gefahr ist gebannt. Negativ: Lebenswichtige Waren, etwa Medikamente, die nur importiert werden können, ständen nicht mehr zur Verfügung, in der Folge sterben (andere) Menschen. Güterabwägung: Was ist schlimmer? Wer trifft diese ethisch-moralische Entscheidung und würden das alle Staaten gleich tun? Scheint unrealistisch. Alternativen? Wir machen uns autark! Also zurück zu isolierten Nationalstaaten mit in der Folge deutlich eingeschränktem Angebot an Waren und Freizeitgestaltung? Oder zumindest die Abhängigkeit von zentral wichtigen Waren und Diensten verringern, etwa aktuell bestimmte Medikamente und Impfstoffe nicht aus China importieren, sondern wieder im Inland produzieren. Wohl ein Ansatz. Und wenn wir das z.B. innerhalb der EU politisch noch ganz gut abstimmen und vereinbaren können, dann wäre uns geholfen. Der Preis: wir können nicht die ganze Welt retten, ein Schuss Egoismus scheint notwendig, um zumindest Teile aufrecht zu erhalten. Ist das die praktische Konsequenz, wenn der große Wurf zu unrealistisch ist?
Der Alternativweg wäre der Versuch, tatsächlich mehr oder weniger weltweit oder zumindest bezüglich der wichtigsten Länder unseres Erdballs eine gemeinsame Haltung und Vorgehensweise zu entwickeln.
Wie kann das gelingen? Es braucht wohl beides: genügend vernünftige weitsichtige Politiker und genügend Druck von unten (Greta-Effekt). Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Hi Mibi, vielen Dank für deinen Kommentar! In meinem Artikel hatte ich erst einmal nur darüber geschrieben, was wir über uns selbst lernen können. Aber natürlich können wir auch etwas darüber lernen, wie man am effektivsten solchen Krisen begegnet bzw. gleich vermeidet. Insofern ist das eine gute Ergänzung.
Die vollständige Isolierung ist vielleicht naheliegend, wäre aber, wie du selbst schreibst, sicher keine Alternative. Bei bestimmten, besonders wichtigen Gütern die Abhängigkeiten zu verringern, klingt dagegen schon vielversprechender. Das gilt für lebenswichtige Medikamente wie Antibiotika, genauso wie z. B. für Energie. Die Energie- und Verkehrswende bietet da die Gelegenheit, die Abhängigkeit von ausländischem Öl und Gas zu verringern, um in diesen Bereichen zukünftige Krisen abzuwenden.
Ich stimme dir zu, es braucht beides: ein gesundes Maß an Egoismus (auf jeden Fall weniger als Trumps „America first“) und gleichzeitig konstruktiven internationalen Austausch. Die Kunst ist dann, dazwischen die richtige Balance zu finden…

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