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Verstehen Sie Vegetarier?

Jakob Cotton on Unsplash

Ich bin selbst kein Vegetarier und habe lange nicht verstanden, warum ein Mensch vegetarisch lebt. Ich dachte zwar, ich wüsste es: Aus ethischen Gründen, weil man es nicht erträgt, wenn Tiere getötet werden. Oder aus kulturellen oder sonstigen „gefühlten“ Gründen. Aber dass auch sehr rationale Gründe dafür sprechen, habe ich erst viel später begriffen, als ich selbst anfing, weniger Fleisch zu essen. Ich konnte die gefühlten Gründe zwar verstehen, aber nicht selbst nachvollziehen.

Für mich ist es OK, wenn Tiere getötet werden. Aber …

dann muss das in einer Art und Weise geschehen, die hohe Ansprüche an das Tierwohl stellt. Alles andere ist Tierquälerei. Leider wird in Deutschland bei den Nutztieren im Vergleich zu den Haustieren mit einem anderen Maß gemessen.

Unsere Kapazitäten reichen für eine tiergerechte Haltung nicht aus

Und damit kommen wir schon zum ersten rationalen Grund, der für eine vegetarische Ernährung spricht: Wenn wir diese hohen Anforderungen an das Tierwohl stellen, dann haben wir nur noch geringere Kapazitäten in der Tierhaltung und in der Schlachtung, z.B. weil je Tier mehr Platz zur Verfügung steht oder weil die Schlachtung nur noch lokal, also ohne lange Anfahrtswege durch halb Deutschland, stattfindet.

Solange die Nachfrage nach Fleisch hoch ist, kann die Veränderung nicht stattfinden.

Indem mehr Menschen vegetarisch leben (oder wenigstens „vegetarischer“), ermöglichen und unterstützen sie also eine bessere Tierhaltung. Wenn man dann noch beim Fleischkauf (z.B. einmal in der Woche oder einmal im Monat) darauf achtet, dass das Fleisch aus einer guten Haltungsform stammt, z.B. aus Bioproduktion, dann hat das einen doppelt guten Effekt.

Fleischproduktion verschwendet wichtige Ressourcen

Der zweite Grund, der mit dem ersten eng zusammenhängt, betrifft den hohen Ressourcenverbrauch der Fleischproduktion.

Für 1 kg Rindfleisch werden 3,9 bis 9,4 kg Getreide benötigt, außerdem 27 bis 49 m² Nutzfläche und unglaubliche 15400 Liter Wasser. [1]

Wobei ein Großteil der Nutzfläche und des Wassers auf den Anbau der Futtermittel fällt. 60 % des in Deutschland angebauten Getreides wird für die Tierhaltung verwendet, während nur 20 % für den direkten Verzehr durch Menschen bestimmt ist [1]. Auch Soja ist ein beliebtes Futtermittel, das zum größten Teil importiert wird, z.B. aus Brasilien (einem der größten Sojaproduzenten der Welt), wo für die Anbauflächen Regenwald abgeholzt wird. „Die EU selbst kam zu dem Schluss, dass der Import von Soja – hauptsächlich für Tierfutter – in der Vergangenheit der Faktor war, der am stärksten zur weltweiten Entwaldung […] beigetragen hat.“ [2] (Das Soja für vegetarische Produkte kommt übrigens meistens aus der EU – achtet auf die Deklaration auf der Verpackung.) Dieser hohe Ressourcenverbrauch mit all seinen negativen Folgen – Abholzung, Pestizideinsatz, Lebensmittelknappheiten, … – ist in einer Welt mit immer mehr Menschen und zusätzlichen Krisen wie dem Klimawandel einfach nicht mehr zu rechtfertigen. Den Fleischkonsum zu reduzieren ist ein mächtiger Hebel, um Druck von den sensiblen globalen Systemen zu nehmen.

Fleischproduktion verschärft den Klimawandel

Ein weiterer Grund – und wahrscheinlich nicht der letzte – ist, dass die Fleischproduktion selbst eben diese Krisen weiter verschärft. In direkter Weise dadurch, dass die Tiere Kohlenstoffdioxid und Methan ausstoßen und indirekt durch die Abholzung von Wäldern und die Trockenlegung von Mooren für Weideflächen oder Futtermittelflächen. Insgesamt kommt man so auf 22 kg CO2-Äquivalente je kg Rindfleisch [1].

Und, verstehen Sie Vegetarier nun besser?

Ich möchte nicht sagen, dass die oben erwähnten „gefühlten“ Gründe gar keine Rolle spielen – bei vielen Menschen tun sie das sicher. Was ich sagen möchte, ist, dass die anderen Gründe für uns alle eine Rolle spielen.

Was kann ich tun?

Das ist eigentlich ganz einfach – und doch wieder nicht. Weniger Fleisch essen hat auf jeden Fall gute Gründe – und vielleicht fallen euch ja auch noch welche ein, schreibt das gerne in die Kommentare. Probiert es aus und entdeckt die unerwartete Vielfalt vegetarischer Ernährung. Mittlerweile gibt es auch in immer mehr Restaurants echt leckere fleischlose Gerichte und nicht nur einen Salat. Habt ihr schon Erfahrungen gemacht? Oder seit ihr noch nicht überzeugt? Hinterlasst gerne einen Kommentar dazu, danke!

Quellen

[1] Albert Schweizer Stiftung für unsere Mitwelt: „Das steckt hinter einem Kilogramm Rindfleisch.“ https://albert-schweitzer-stiftung.de/aktuell/1-kg-rindfleisch

[2] Greenpeace e.V.: „Hooked on Meat. Wie die europäische Nachfrage nach Soja die Klimakrise verschärft.“ https://www.greenpeace.de/sites/default/files/publications/20190802-greenpeace-report-hooked-on-meat-deutsch.pdf

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