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Freiheit

Photo by Dino Reichmuth on Unsplash

Freiheit ist ein hohes Gut. Freiheit ist etwas, das es in der Menschheitsgeschichte wahrscheinlich noch nie in dem Maße gab wie heute bei uns. Zu jeder Zeit wurden Menschen – oft sogar die große Mehrheit der Bevölkerung – von einigen wenigen Mächtigen unterdrückt, in Deutschland zuletzt in der DDR. Die Freiheiten, die wir heute genießen und die im Grundgesetz für alle gleich verankert sind, mussten hart erkämpft werden.

Aber dennoch kann immer größere Freiheit nicht das alles übertreffende Ziel sein. Grenzenlose Freiheit ist ohnehin eine Illusion. Grenzenlose Freiheit, das wäre Anarchie. Wir haben heute einen ziemlich komplexen Gesetzesapparat, der im Prinzip nichts anderes tut, als zu regeln, wie weit welche Freiheit geht bzw. wo sie endet. Freiheit ist per definitionem eingeschränkt, spätestens dort, wo man die Freiheiten anderer Menschen verletzen würde.

Freiheit des Marktes

Der Begriff der „freien Marktwirtschaft“ ist eigentlich irreführend, denn selbst härteste Liberalisten wollen nicht, dass sich der Staat vollständig aus dem Markt heraushält. Spätestens wenn die nächste Wirtschaftskrise naht, werden Forderungen nach einem Eingreifen des Staates mit Wirtschaftshilfen laut. Einen direkteren, rabiateren Eingriff in die Wirtschaft gibt es fast nicht. Auf der anderen Seite hat der Staat auch eine Kontrollfunktion, eben um sicherzustellen, dass niemandes Freiheiten verletzt werden.

An dieser Stelle kommt die sogenannte „soziale Marktwirtschaft“ ins Spiel, wobei auch dieser Begriff irreführend ist, zumal nirgends eindeutig definiert. Hier steht dem „freien“ Markt der Staat – nicht nur als Kontrollorgan, sondern auch als lenkende Hand – gegenüber, der nach sozialem Ausgleich strebt. Und diese weitere Einschränkung der Freiheit des Marktes hat unbestrittenerweise zu einer höheren Lebensqualität eben nicht nur der wenigen Mächtigen, sondern tatsächlich der Mehrheit der Bevölkerung, geführt.

Noch einen Schritt weiter geht die „humane Marktwirtschaft“, wo der Mensch und nicht mehr der Markt im Mittelpunkt steht [1].

In allen drei Fällen bildet der Staat ein wichtiges Gegengewicht zur Macht des Marktes und gibt denen eine Stimme, die der Kapitalismus nicht berücksichtigt. Und dazu muss auch die Natur gehören, die ja ein gewaltiges Kapital darstellt, welches wir jedoch gerade im Begriff sind zu zerstören.

Damit will ich nicht sagen, dass mehr Kontrolle durch den Staat immer besser wäre. Vielmehr gilt es hier, den goldenen Mittelweg zu finden. Einige Aufgaben wie Bildung oder Gesundheit sollte man besser dem Staat überlassen und einige wie die Versorgung mit Lebensmitteln sind zurecht stärker kontrolliert als andere. Das setzt aber zugegebenermaßen auch ein gewisses Maß an Vertrauen gegenüber dem Staat voraus, welches sich dieser auch verdienen muss.

Freiheit neu gedacht

Das mangelnde Vertrauen in den Staat ist vielleicht auch historisch bedingt, denn bis in die jüngere Geschichte trat der Staat eher als Unterdrücker denn als Heilsbringer auf, weshalb jede Einschränkung der Freiheit erst einmal verdächtig erscheint. V. a. die älteren Generationen betrachten eine Ausweitung ihrer Freiheiten immer noch als zentrales Entwicklungsziel. Und das ist auch verständlich, denn in der Vergangenheit traf dies durchaus zu und heute sind wir froh über all die Freiheiten, die diese Menschen erkämpft haben. Doch immer mehr Menschen erkennen nun, dass wir z. T. zu weit gegangen sind. Mein Eindruck ist, dass das v. a. den jüngeren Generationen bewusst wird (zu denen ich ja auch gehöre), die für diese Freiheiten nicht gekämpft haben und denen es deshalb leichter fällt, sie zu hinterfragen. Viele fordern nun das Eingreifen des Staates zur Bekämpfung des Klimawandels, des Artensterbens und zunehmender Ungerechtigkeit, z. B. durch das Verbot von Individualverkehr in Städten, das Verbot von Pestiziden oder die Pflicht zur Einhaltung menschenwürdiger Mindeststandards in der gesamten Lieferkette eines Produktes. Das heißt aber nicht, dass das Erreichen der betroffenen Freiheiten umsonst war, denn sonst wären wir vielleicht nie zu diesen Erkenntnissen gekommen.

Generell müssen wir die verschiedenen Freiheiten neu bewerten und neu denken. Ist die Freiheit, mit dem eigenen Auto überall fahren zu dürfen, wirklich höher zu bewerten als die Freiheit, überall ohne Gesundheitsrisiko atmen zu können? Was ist mit den Freiheiten von Tieren und Pflanzen? In der Schweiz ist z. B. in der Bundesverfassung neben der Würde des Menschen schon die Würde der Kreatur bei Tieren und Pflanzen verankert [2]. Auch die Freiheiten von Menschen, die nicht im eigenen Land leben, müssen berücksichtigt werden. In der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der UN heißt es dazu in Artikel 2: „Jeder hat Anspruch auf alle in dieser Erklärung verkündeten Rechte und Freiheiten […]“ [3]. Einen Schritt weiter gedacht, müssen wir auch die Freiheiten zukünftiger Generationen schützen.

Aber gleichzeitig schaffen wir uns auch neue Freiheiten. Freiheiten, über die wir uns vielleicht bisher gar nicht so im Klaren waren, z. B. die Freiheit, eine bedrohte Tierart zu retten oder die Freiheit, im Urlaub oder sogar im Alltag eine intakte Natur zu erleben.

Was ist eure Meinung?

Freiheit ist ein Thema, über das sich trefflich streiten lässt, eben weil es die Grundlage unserer Gesellschaft bildet. Was denkt ihr? Auf welche Freiheiten würdet ihr am ehesten verzichten? Müssen wir überhaupt auf irgendetwas verzichten? Welche Freiheiten müssen wir uns noch erkämpfen?

Quellen

[1] Wikipedia: „Humane Marktwirtschaft.“ https://de.wikipedia.org/wiki/Humane_Marktwirtschaft

[2] Schweizerische Eidgenossenschaft, Eidgenössische Ethikkommission für die Biotechnologie im Außerhumanbereich (EKAH): „Die Würde der Kreatur bei Pflanzen. Die moralische Berücksichtigung von Pflanzen um ihrer selbst willen (April 2008).“ https://www.ekah.admin.ch/de/medienmitteilungen-und-veranstaltungen/medienmitteilungen/uebersicht/archiv/die-wuerde-der-kreatur-bei-pflanzen-die-moralische-beruecksichtigung-von-pflanzen-um-ihrer-selbst-willen-april-2008/

[3] UN: „Resolution 217 A (III) der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1948.“ https://www.menschenrechtserklaerung.de/die-allgemeine-erklaerung-der-menschenrechte-3157/

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